Jüngere Geschichte Guatemalas im Überblick
Vorbemerkung:
Die vergangenen 70 Jahre, Zeitraum eines Menschenlebens, haben die Erfahrungen der Bevölkerung in Guatemala geprägt. Wie ein dunkler Schatten liegen Stationen dieser Epoche über dem kollektiven Gedächtnis. Vieles wird im Vergessen erstickt, Gegenwart wird gelebt, Zukunft ohne Perspektive?
Politische Visionen der Reformpräsidenten der Nachkriegsjahre wurden aus Angst vor Umverteilung der Besitzverhältnisse und vor sozialen Veränderungen durch Intervention der USA verhindert. Das Aufbegehren von Guerilla-Verbänden gegen die Militärdiktaturen führte zu einer bewaffneten Konfrontation. Mehr als 30 Jahre erlitt die Bevölkerung, insbesondere die indigenen Maya im Landesinneren, Repressionen, Terror und Gewalt. Aus dieser Erfahrung bildeten sich gesellschaftliche Gruppen, die gegen die Verletzung ihrer Rechte demonstrierten, für eine Aufklärung der Verbrechen kämpften und Veränderungen durch Reformen forderten. Ihre mutigen Aktivitäten sind bis heute aktuell.
Das Militär hat nach der Friedensvereinbarung mit der Guerilla an Einfluss verloren. Frei und demokratisch gewählte Präsidenten regieren das Land. Die Normalität des gesellschaftlichen Lebens ist jedoch noch immer von Not und Gefahr bestimmt. Kriminelle Strukturen in Politik und Wirtschaft haben weiterhin vielfachen Einfluss auf das private und öffentliche Leben.
Es folgt eine Bestandsaufnahme, verfasst von Jürgen Schulz:
Bananenrepublik [1]
Von 1945 an begann für Guatemala eine kurze Zeit demokratischer Blüte. Präsident Juan José Arévalo beabsichtigte eine Landreform zu Gunsten der verarmten Landbevölkerung. Er enteignete Besitzungen des US-Lebensmittelkonzerns United Fruit Company, der große Teile der ländlichen Infrastruktur für Anbau und Vermarktung von Bananen nutzte.
Der Konzern hatte sich innerhalb weniger Jahrzehnte in Guatemala zur mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Kraft entwickelt. Die diktatorischen Regime waren schwach, korrupt und damit auch beeinflussbar.
Seit 1952 konkretisierte sich das Projekt der Landreform unter dem Nachfolgepräsidenten Jacobo Árbenz Guzmán. Der US-Konzern hatte berechtigte Sorge, dass er seinen Landbesitz und seinen politischen Einfluss in Guatemala verlieren könnte. Er bediente sich informeller Kanäle und überzeugte, in Zeiten des „kalten Krieges“, politische Entscheidungsträger in den USA davon, dass in Guatemala eine kommunistische Machtübernahme bevorstehe.
Die Regierung der USA traf 1953 die Entscheidung, einen Putsch gegen Arbenz zu initiieren. In der Folge hatte CIA-Direktor Allen Dulles, Bruder des US-Außenministers John Forester Dulles, Pläne für militärische Aktionen entwickelt, um den amtierenden Präsidenten Guatemalas zu stürzen. Die vom CIA unterstützen Söldnertruppen des guatemaltekischen Oberst Castillo Armas drangen von Honduras aus in Guatemala ein, begleitet von Luftangriffen nordamerikanischer Flugzeuge. Arbenz dankte ab und 1954 wurde Castillo Armas Präsident und die Landreformen zurückgenommen.
[1] Deutschlandfunk Kultur, Beitrag vom 18.06.2014
Interner bewaffneter Konflikt
Die Vereitelung sozialer Reformen machten restriktive Elemente in Armee und Zivilgesellschaft zunehmend für einen Guerilla-Widerstand empfänglich, wie er 1959 mit Fidel Castro in Kuba erfolgreich war. Es bildeten sich vier, anfangs unabhängig voneinander agierende Kampfverbände, die sich 1982 zur Nationalen guatemaltekischen revolutionären Vereinigung (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca - URNG) zusammenschlossen. Die militärische Konfrontation war von Beginn an von der Überlegenheit an Personal und Waffen der guatemaltekischen Armee bestimmt, die materiell von den USA und von Israel unterstützt wurde. Die Armee hatte etwa 30.000 gut ausgebildete Soldaten, moderne Waffentechnik und Hubschrauber im Einsatz. Die Guerilla-Verbände rekrutierten bis zu 5.000 Kämpfer, ausgerüstet mit leichten Waffen.
In diesem „Schmutzigen Krieg“ begingen das Militär und inoffizielle regierungsnahe Paramilitärs zahlreiche, schwere Massaker an Zivilisten, meist an der indigenen Maya-Landbevölkerung. Zur gleichen Zeit drohten, folterten und ermordeten Todesschwadronen Bürger, die sie verdächtigten, in linksgerichtete Aktivitäten involviert zu sein. Opfer waren Studenten, Gewerkschafter, Journalisten, Intellektuelle, Politiker, Priester und Diakone. Sie kamen grausam zu Tode: gefoltert, vergewaltigt, erschossen, erschlagen, verbrannt… Andere, detailliertere Beschreibungen, wie sie von Augenzeugen berichtet und durch Exhumierungen bestätigt wurden, sollen hier nicht genannt werden. Das Militär verscharrte die Leichen auf geheimen Friedhöfen, andere wurden zur Abschreckung öffentlich in Müllhalden und am Straßenrand abgelegt.
Chronik des Schreckens in Auszügen [6]:
März 1970 wurde der deutsche Botschafter in Guatemala, Karl Graf von Spreti, von der Guerillabewegung Bewaffnete Rebellen-Streitkräfte (Fuerzas Armadas Revolucionarias - FAR) entführt, um u. a. die Freilassung von 16 Rebellen zu erzwingen. Die Bundesregierung appellierte erfolglos an die guatemaltekische Regierung, auf die Forderungen der Entführer einzugehen. Der Botschafter wurde von den Entführern erschossen [2].
[2] https://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/1100/k/k1970k/kap1_2/kap2_17/para3_7.html
Mai 1978 lösten Landansprüche der Maya-Ethnie der Kekchi ein Massaker im Dorf Panzos aus. Mehr als zwei Jahre lang waren Spannungen, Morde und Vertreibungen in den Provinzen Quiche und Alta Verapaz dieser Aktion vorausgegangen. Ein Augenzeugenbericht [3]: … es brauchte nur wenige Minuten, um den Dorfplatz bei Panzos durch den Einsatz der guatemaltekischen Armee zu räumen. Als die Schießerei aufhörte, lagen Leichen von Kindern, Frauen und Männern blutend zwischen den Bäumen. Überlebende, viele von ihnen verwundet, waren auf den Sandstraßen schreiend geflohen. Fünf Frauen mit ihren Babys waren in den nahegelegenen Polochic River gesprungen und ertranken.
Die Regierung sprach von 38 Toten, Mitarbeiter der Katholische Kirche in der Region erstellten eine Liste von 114 Opfern [3].
[3] https://www.washingtonpost.com/archive/politics/1978/06/24/army-killings-in-indian-village-shock-guatemala/68281deb-fc2b-4cb7-9cb6-4554f8db0fb8/
Januar 1980: Friedliche Besetzung der spanischen Botschaft in Guatemala-Stadt durch Angehörige und Sympathisanten der Organisation der Landarbeiter Komitee für die Einheit der Kleinbauern (Comité de Unidad Campesina – CUC).
Die Besetzer reklamierten Landreformen, soziale und politische Rechte und das Ende von Folter, Entführung, Mord an der indigenen Bevölkerung. Sie erhofften sich Aufmerksamkeit für ihre Forderungen in den Medien des Landes und in der Weltöffentlichkeit. Die Polizei beendete die Aktion, setzte die Botschaft in Flammen, 38 Menschen starben - unter ihnen Vicente Menchú, Vater der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum [4].
[4] https://www.guatemala.de/Fijate/Archiv/10/FIJ454_A01.html
Präsidentschaft von Rios Montt
April 1982 ordnete Ríos Montt den Plan für Nationale Sicherheit und Entwicklung als Programm zur Aufstandsbekämpfung an. Indigene Kommunen wurden zu Wehrdörfern erklärt. Die paramilitärische Miliz-Patrouillen zur zivilen Selbstverteidigung (Patrullas de Autodefensa Civil - PAC) kontrollierten das dörfliche Leben. In erzwungener Zusammenarbeit mit dem Militär wurden Angehörige der PAC Täter und Opfer abscheulicher Verletzungen der Menschenrechte.
100.000 Bedrohte flohen ins benachbarte Ausland, es gab über eine Million Binnenflüchtlinge.
Stationen des militärischen Operationsplans „Sofía“, dokumentiert beim guatemaltekischen Generalstab der Armee (Estado Mayor General del Ejército - EMGE) [5]:
- Juli 1982 - Siedlung Caserío Puente Alto im Dorf El Quetzal, Barillas, Departamento Huehuetenango, 360 Tote.
- Juli 1982 - Dorf San Francisco, Nentón, Departamento Huehuetenango, 350 Tote.
- Juli 1982 - Gemeinde Plan de Sánchez, 368 Tote.
- August 1982 - Dorf San Francisco Javier, Santa María Nebaj, Departamento Quiché, 30 Tote.
- September 1982 - Dorf Vibitz, Santa María Nebaj, 17 Tote.
- September 1982 - Siedlung Agua Fría, in Chicamán, im Departamento El Quiché, 92 Tote.
- Dezember 1982 Dorf Dos Erres, 252 Tote.
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Guatemaltekischer_Bürgerkrieg
Wegen seiner antikommunistischen Ausrichtung erhielt Montt von der US-Administration unter Präsident Ronald Reagan umfangreiche militärische und politische Unterstützung. August 1983 wurde Ríos Montt von seinem Verteidigungsminister Óscar Humberto Mejía Víctores aus dem Amt geputscht [7].
[7] https://www.independent.co.uk/news/obituaries/oscar-mejia-victores-general-who-took-power-in-guatemala-and-introduced-democratic-elections-but-was-a6852371.html
November 1988 wurden 22 Bewohner bei einem Massaker von Spezialeinheiten der Armee im Dorf El Aguacate in Chimaltenango ermordet [8].
[8] https://blickpunkt-lateinamerika.de/artikel/ehemaliger-guerillakaempfer-fuer-massaker-verurteilt/
Wahrheitskommission – Erklärung Bill Clinton
1999 wurden mit Beteiligung der UN und unter Vorsitz des deutschen Rechtsprofessors Christian Tomuschat die Dokumente der Wahrheitskommission Kommission zur historischen Aufklärung (Comisión para el Esclarecimiento Histórico – CEH) erstellt [9].
Die Kommission geht in ihrem Bericht davon aus, dass im Bürgerkrieg zwischen 1960 und 1996 etwa 200.000 Menschen ihr Leben verloren. 93% der von ihr untersuchten Fälle von Ermordung und Folter wurden von Angehörigen der nationalen Sicherheitskräfte verübt, für 3% der Menschenrechtsverletzungen war die Guerilla verantwortlich. Die überwiegend an der indigenen Bevölkerung begangenen Verbrechen wurden als Völkermord eingestuft.
[9] https://www.usip.org/publications/1997/02/truth-commission-guatemala
Präsident Bill Clinton wandte sich 1999 zum Volk Guatemalas: … es sei falsch von den USA gewesen, das Militär und verschiedene Geheimdienste Guatemalas zu unterstützen, die sich an Menschenrechtsverletzungen und der gewaltsamen und weit verbreiteten Unterdrückung beteiligt hätten [10].
[10] https://www.theguardian.com/world/1999/mar/12/jeremylennard.martinkettle
Entwicklungen in der Zivilgesellschaft [11]
1967 erhielt Miguel Ángel Asturias den Nobelpreis für Literatur.
1984 entstand die Gruppe für gegenseitige Hilfe (Grupo de Apoyo Mutuo - GAM), die sich für die Aufklärung von über 40.000 Fällen zwangsweise Verschwundener (Desaparecidos) einsetzt.
1984 gründete sich der Gewerkschafts-Dachverband Arbeitergewerkschaft von Guatemala (Union Sindical de Trabajadores de Guatemala - UNSITRAGUA ).
1986 wurde Marco Vinicio Cerezo Arévalo nach 15jähriger Militärdiktatur erster ziviler Präsident des Landes.
1987 Beginn der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Guerilla in Madrid.
1988 Gründung des Witwenverbandes Nationale Koordination der Witwen in Guatemala (Coordinadora Nacional de Viudas de Guatemala - CONAVIGUA). Die Frauen vertreten engagiert die Interessen der indigenen Bevölkerung in Guatemala. Sie wenden sich gegen Diskriminierung und fordern die Aufdeckung der Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs.
1992 erhält die Menschrechtsaktivistin Rigoberta Menchú Tum den Friedensnobelpreis. Menchú, aus der Ethnie der Maya-Quiché, wurde aufgrund ihrer oppositionellen politischen Aktivitäten zur Zeit der Repression verfolgt und ging ins Exil.
[11] https://www.britannica.com/place/Guatemala/Political-process
1993 wurde Jorge Carpio Nicolle, Präsidentschaftskandidat und prominenter Zeitungsverleger, von Mitgliedern der PAC ermordet. Er war der Cousin des zu jener Zeit amtierenden Präsidenten Ramiro de León Carpio [12].
[12] https://guatemala.de/Fijate/Archiv/04/FIJ316_A08.html
In Ergänzung zu den Ergebnissen der Wahrheitskommission CEH (siehe oben), untersuchte die guatemaltekische Katholische Kirche die Verbrechen aus der Zeit des Bewaffneten Konflikts. 1995 veröffentlichte sie die Ergebnisse der Zeitzeugen in dem Bericht Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses (Recuperación de la Memoria Histórica - REMHI). Die Dokumentation „NUNCA MÁS“ (dt.: Niemals wieder) wurde von Weihbischof Juan Gerardi Conadera im April 1998 öffentlich vorgestellt. Sie basiert auf mehr als 5.000 Zeugenaussagen. Kurz darauf wurde Gerardi von Militärangehörigen ermordet, die in späteren, komplexen und widersprüchlichen Gerichtsverfahren verurteilt wurden [13].
[13] http://odhag.org.gt/html/Default.htm
Militärischer Frieden – sozialer Konflikt [14]
1996 wurde der Bürgerkrieg auf internationalem Druck mit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Guerilla beendet. Die Guerilla wurde aufgelöst und entwaffnet, ebenso die PAC, die Truppenstärke der Armee deutlich reduziert. Es gab Teilamnestien für Militär und Guerilla, aber auch die Möglichkeit der juristischen Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Kontrolle über die Umsetzung einzelner Abkommen wurde der UN-Mission Verifikationsmission der Vereinten Nationen in Guatemala (Misión de Verificación de las Nacionas Unidas en Guatemala- MINUGUA) übertragen. Die UN setzte den Deutschen Tom Königs ab 2002 als Leiter der Mission ein.
[14] https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54783/guatemala
Ergebnisse des Friedensprozesses
Das Friedensabkommen enthält ein umfassendes Reformpaket. Die Kernelemente sind: Anerkennung und Förderung der kulturellen Eigenarten der indigenen Bevölkerungsmehrheit, Stärkung der demokratischen Institutionen und die Rolle der Armee in der Gesellschaft. Ein für die Umsetzung dieser Reformen erforderliches Referendum scheiterte 1999 wegen zu geringer Beteiligung am Abstimmungsprozess.
Mit Ende des Bürgerkriegs wurden positive Entwicklungen im Land möglich. In freien Wahlen etablierten sich zivile Regierungen, das Militär verlor an Einfluss, die Guerilla beteiligte sich an der demokratischen, politischen Entwicklung. Im linken gesellschaftlichen Spektrum entstanden neue Parteien und Bündnisse. Führungspersönlichkeiten ziviler Organisationen übernahmen Verantwortung in Regierung und Opposition. Einige Beispiele:
Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum beteiligte sich 2004 in der Regierung von Präsident Oscár Berger Perdomo. 2007 kandidierte sie als Präsidentschaftskandidatin im Parteibündnis Winaq (Maya-Bewegung) und Encuentro por Guatemala (Begegnung für Guatemala). Sie landete mit 3% der Stimmen auf dem sechsten Platz der Abstimmung.
Die Gründerin der GAM Nineth Montenegro wurde 1996 in das Parlament (Kongress) gewählt. Für „ihre“ Partei Encuentro por Guatemala (Begegnung für Guatemala) gewann sie 2008 sechs Sitze und war von 2008 - 2012 Vizepräsidentin des Parlaments.
Rosalina Tuyuc, Gründerin der CONAVIGUA, arbeitete in der Regierung von Präsident Berger als Leiterin der Nationalen Wiedergutmachungskommission (Comisión Nacional de Resarcimiento). Aufgrund von politischen Differenzen mit dem Präsiden gab Tuyuc das Amt wieder auf. Tuyuc wurde 1994 mit dem Orden der Ehrenlegion in Frankreich und 2012 mit dem Niwano Friedenspreis in Japan ausgezeichnet.
Der Guerilla-Führer Rodrigo Asturias bewarb sich bei den Präsidentschaftswahlen 2003 als Kandidat der URNG, er erhielt 2,6% der Stimmen.
Die Wirtschaft des Landes prosperierte. Aus dem Ausland wurde eingefrorene Entwicklungshilfe freigegeben. Der Tourismus, ein wesentlicher Faktor im Finanzhaushalt Guatemalas, entwickelte sich intensiv. Außerhalb der traditionellen Landwirtschaft entstanden Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor. Mit günstigen Konditionen lockt die Regierung Investoren ins Land, die Textilbetriebe, Bergbau und Plantagen pflanzlicher Rohstoffe zur Energieversorgung gründen. Der Profit aus dieser Entwicklung wird ins Ausland transferiert, unter Teilhabe der Oligarchie (siehe unten) des Landes.
Ungelöste soziale Konflikte
Ungleicher Landbesitz, Verarmung der Bevölkerung, Korruption, Justiz ohne Wirkung sowie öffentliche Gewalt belasteten weiterhin das gesellschaftliche Leben im Land.
Die UN installierte 2007 in Guatemala die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit (Comisión Internacional Contra la Impunidad en Guatemala - CICIG). Die Kommission arbeitete erfolgreich und deckte in zahlreichen Verfahren die Zusammenarbeit zwischen dem organisierten Verbrechen und der politischen Elite auf.
Der Korruptionsskandal von 2015, in den nicht nur hohe Funktionäre und Minister, sondern auch Staatspräsident Otto Pérez und Vizepräsidentin Roxana Baldetti involviert waren, führte zum Rücktritt und zur Anklage der Mandatsträger*in. Der Verlauf des Prozesses wurde von intensiven öffentlichen Demonstrationen der Zivilbevölkerung begleitet.
Die Oberstaatsanwältin Thelma Aldana und der Leiter von CICIG Iván Velásquez erhielten 2018 für ihren Einsatz gegen die Korruption in Guatemala den Alternativen Nobelpreis.
2019 verfügte Präsident Jimmy Morales die Ausweisung der Kommission aus Guatemala und beendetet damit das Mandat von CICIG.
Das Machtvakuum militärischer Strukturen füllen inzwischen kriminelle Netzwerke, die Kontakte zu Politik und Wirtschaft unterhalten. Sie kooperieren mit internationalen Drogenkartellen, die in weiten Teilen des Landes ihre Herrschaft ausüben.
In den Städten terrorisieren Jugendbanden, die sog. Maras, die Anwohner. Sie kontrollieren „ihre“ Stadtteile und sind unter anderem für Schutzgelderpressungen, Auftragsmorde und Drogenhandel verantwortlich. Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit veranlassen Hunderttausende das Land in Richtung Mexiko und USA zu verlassen.
Späte Gerechtigkeit
2011 wurden erstmals, nach 30 Jahren der Straflosigkeit, Mitglieder des Militärs für ein im Dezember 1982 begangenes Massaker verurteilt.
2012 stand Ex-Diktator Efraín Ríos Montt vor Gericht. 2013 wurde er des Genozids schuldig gesprochen und zu 80 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde später wegen Verfahrensfehler aufgehoben. Rios Montt verstarb 2018.
Demografie der Republik Guatemala
Fläche: 109km² (entspricht ~ Bayern + Baden-Württemberg), davon 35% tropischer Regenwald (Peten)
Einwohner: 17,5 Millionen (2018), davon ~ 1 Million legal/illegal in den USA
Abstammung: Maya ~ 50%, europäisch/indigen ~ 42%, asiatisch/karibisch ~ 8%
Hauptstadt:
Guatemala-Stadt mit im Ballungsraum ca. 2,6 Millionen Einwohnern
Sprachen:
Spanisch und 22 indigene Maya-SprachenReligion: ~ 47% röm.- katholisch, ~ 35% protestantisch/evangelikal
Politisches System: präsidentiell-demokratische Republik
Wirtschaft: BIP 8.100 US$ / Einwohner (2017), zum Vergleich BRD: 47.000 US$ / Einwohner (2019)
Export: Kaffee, Textilien, Zucker, Bananen
Import: Erdöl, Chemikalien, Autos, Elektronik
Einkommensverteilung:
Oligarchie: Machtelite, kontrolliert Wirtschaft und Politik.
Beispiel: Unternehmerverband Ausschuss der landwirtschaftlichen, kommerziellen, industriellen und finanziellen Vereinigungen (Comité de Asociaciones Agrícolas, Comerciales, Industriales y Financieras - CACIF)
Etwa 22 Familien bilden den engen Zirkel der Meistbesitzenden*. Sie sind Eigentümer und/oder Beteiligte an Landbesitz, Produktionsstätten, Banken.
*EDELAC Guatemala - Pagina Negra de Guatemala
https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-guatemala.pdf
Ungleiches Einkommen:
- 54 % der Bevölkerung leben in Armut
- 13 % in extremer Armut. (Weltbank: Einkommen von etwa zwei Dollar pro Tag)